ITIL4 meets DEVOPS

IT-Organisationen erleben seit einigen Jahren Veränderungen sowohl im wirtschaftlichen Umfeld als auch den Geschäftsmodellen bei ihren Kunden. Unter Zuhilfenahme von anerkannten Ansätzen wie Scrum, ITIL4, Kanban, DevOps usw. versuchen Unternehmen darauf zu reagieren. In diesem Veränderungsprozess wird sehr häufig in bester Absicht auf der Suche nach dem „richtigen“ Weg die Glaubensfrage gestellt.

ITIL4 + DevOps: Liebe auf den ersten Blick?

Kurz gesagt: Nein. Auch wenn die KI jeder Partnerbörse bei einer derartigen Überschneidung der Interessen und Wünsche eine große gemeinsame Zukunft voraussagen würde.

Aber der Reihe nach.

Schauen wir zunächst auf die DNA bzw. das Mindset der Protagonisten. Beide Frameworks beschreiben Prinzipien, auf denen konzeptionell alles fußt. Gegenübergestellt lassen sich meiner Meinung nach viele inhaltlich gleiche Grundlagen identifizieren. Sie liefern ganz grundsätzlich eine gute Basis für funktionierende Schnittstellen in der Zusammenarbeit.

Abbildung 1: Gegenüberstellung der beiden Modelle

Das Devops Prinzip „Cross-Functional Autonomous Teams“ konkretisiert ITIL 4 außerhalb seiner Guiding Principals durch das Konzept der High Velocity IT. Beste Voraussetzungen also.

Stärken, Schwächen, Potentiale

Die Antwort auf die komplexen Anforderungen und die erforderliche hohe Geschwindigkeit der Entwicklung, wie sie unsere Welt heute an uns stellt, ist Agilität. Das steht außer Frage.

ITIL4 integriert in der neuen Version seit gut einem Jahr vielerlei agile Konzepte und Ansätze ins Framework und stellt damit kompatible Schnittstellen für DevOps & Co bereit. Kleine Releases, die von Anfang an „Value“ bereitstellen (Bsp. minimum viable products, kurz: MVP), entwickelt in selbst organisierten autonomen Teams, liefern schnell, was gebraucht wird. Die kontinuierliche Rückkopplung mit den Auftraggebern und Kunden stellt das zusätzlich sicher.

DevOps setzt Agilität in Perfektion in die Praxis um. Es stellt den agilen Teams entsprechende agile Infrastrukturen und Prozesse sowie eine Toolchain zur Verfügung, die in der Lage ist, CI/CD (Continuous Integration / Continuous Delivery) zu leben. Die Vielzahl kleiner Veränderungen und der hohe Automatisierungsgrad in den Phasen Test und Release verbinden hohe Geschwindigkeit und Qualität.

Abbildung 2: Umsetzung DevOps @SVA

Das eher produktorientierte Framework passt gut in Businesseinheiten, deren Wertbeitrag durch schnelle Anpassung und Entwicklungen in hoher Qualität entsteht. Produktentwicklungseinheiten beispielsweise sind prädestinierte Profiteure von DevOps.

DevOps eignet sich sehr gut, um einzelne eigene Produkte zu erstellen, zu liefern und inkrementell weiterzuentwickeln. Die Produkte stehen in aller Regel aber nicht alleine, so entstehen aus verschiedenen Produkten ggf. verschiedener Hersteller oder Teams Services, die dem Kunden über Servicekataloge bereitgestellt werden. Dies gilt längst nicht mehr nur für IT-Organisationen und intern. Businesseinheiten liefern Services auf der gleichen Servicegrundlage quer über alle fachliche Silos hinweg an interne (Mitarbeiter) wie externe Kunden. Sie sind das zentrale Medium, um für Kunden Mehrwerte zu generieren und werden weltweit als Vehikel genutzt. ITIL und Service Management Strukturen sind die zentrale Kundenschnittstelle. Die Services werden dem Kunden in flexiblen Wertschöpfungsketten, standardisiert und in hoher Qualität angeboten und supported.

Überall da, wo viele verschiedene Fachteams (z.B. in zentralen IT-Infrastrukturen) auf einem klaren Regelwerk stabilen Betrieb sicherstellen, kommen autonome Teams, die agil und eigenständig Veränderungen vornehmen, sehr schnell an Grenzen. Auch ein zentraler Service Desk, der den Kunden einen SPOC (Single Point of Contact) bereitstellt und organisationsfokussiert arbeitet, will nicht so recht in die Strukturen agiler Ansätze passen.

In der schon in ITIL V3 beschriebenen Auflösung des Spannungsfeldes „Stabilität vs. Innovation und Geschwindigkeit“ zeigt sich, wo die Potentiale einer Zusammenführung der beiden Konzepte liegen. Theoretisch ein guter Ansatz.

Wie passt zusammen was zusammengehört, oder wie passt das Runde ins Eckige?

Die Grafik beschreibt ein mögliches Betriebsmodell, das das Zusammenwirken der Modelle visualisiert.

Abbildung 3: Veranschaulichung eines Betriebsmodells

Dabei stellen agile Infrastrukturkomponenten wie ein Hyperconverged Stack und Containertechnologie auf einer klassischen Infrastruktur sicher, dass über die CI/CD Toolchain in hoher Qualität und Geschwindigkeit Produkte bereitgestellt und weiterentwickelt werden können.

Diese Produkte können im IT-Servicemanagement zu Services zusammengefügt, dem Kunden präsentiert und skalierbar bereitgestellt bzw. betrieben werden. Der Fokus liegt dabei auf Standardisierung, Stabilität und Verfügbarkeit.

Abbildung 4: Beispiele agiler Infrastrukturen

Businesseinheiten, die ihren wesentlichen Wertbeitrag durch hohe Geschwindigkeit, enorme Flexibilität und individuelle Kreativität generieren, erhalten mit High Velocity IT-Komponenten selbstorganisierte IT-Organisationen, die innerhalb der Business Units Produkte und Services in DevOps-Mentalität entwickeln, betreiben und supporten. Sie sind ein Teil der Businessorganisation und eine wichtige und unverzichtbare Schnittstelle in die IT-Infrastruktur Teams sowie das IT-Service Management.

Eine Übergabe von Produkten in Services mit entsprechender Skalierungs- und Standardisierungsanforderung in die Breite kann über das IT-Service Management jederzeit umgesetzt werden.

Alles DevOps, alles ITIL, alles agil, alles gut?

Leider oft nicht. Zwar sind sich alle Beteiligten einig, dass mehr Agilität zwingend erforderlich ist, aber… Der Verhinderer arbeitet im Untergrund.

Die Vorbehalte der unterschiedlichen Fraktionen liegen tief und sind alte Bekannte. Spannungsfelder drücken sich in Schwarz-weiß-Bildern und Abgrenzungsversuchen aus. Dimensionen wie „Wer hat recht“ oder „Wer hat`s erfunden“ verbinden sich mit Vorurteilen wie „Das ist altbacken und uncool“ und „Alles nur noch chaotisch, ohne Plan und Stabilität geht das nicht“ und vieles mehr.

DevOps als „der junge Wilde und Weltveränderer“ hat zweifellos viele richtige Antworten drängende Zukunftsfragen. Dabei trifft dieser auf selbstbewusste Menschen in Organisationen, die vor nicht allzu langer Zeit selbst diesen Typus vertraten und sich nun als Platzhirsch empfinden. Richtig konzipiert in der Zeit, als ITIL V3 zum internationalen Standard heranwuchs, sind jetzt Veränderungen erforderlich, die in ITIL4 umgesetzt wurden. Und ITIL4 kann und muss einen Rahmen an Stabilität und Kontinuität liefern, die IT eben auch braucht, um Agilität wo dringend erforderlich, entfalten zu können.

Das sind keine sachlichen Fragen, die die Integration der Frameworks verhindern oder unmöglich machen. Es sind zutiefst menschliche Probleme, die eine freie Sicht auf die offensichtlichen Chancen versperren. Sie müssen auch an der Stelle gelöst werden.

Die gute Nachricht: Das sind keine echten Show Stopper. Sie können aber dazu gemacht werden. Vorsicht ist geboten.

Meine Empfehlungen – Der Weg:

  • Die Chancen eines gemeinsamen Weges erkennen
  • Die „individuelle“ Entscheidung treffen, zusammenarbeiten zu wollen
  • Sich mit offenem Visier der Auseinandersetzung stellen und Reibung in Kreativität verwandeln
  • Die Früchte ernten, die auf ein anpassungsfähiges Unternehmen in der komplexen Welt warten.

Es gibt eine gute Chance, über Auseinandersetzung und Reibung in wertvoller Zusammenarbeit zu kommen. Die nötigen Anpassungen von Mindset und Organisationsstrukturen auf allen Seiten, fordern eine gehörige Portion Change und Adoption. Ein Performance Indikator ist hier zweifellos die Konsequenz des Managementsupportes und die Höhe des bereitgestellten Budgets für erforderliche Maßnahmen.

Wohl denen, die sich auf den Weg machen. Je früher, desto besser. Wachstum und Veränderung brauchen Zeit.

Fazit:

Nach dem „Ersten Date“ scheint eine Liaison gut möglich. Sachlich betrachtet hat sich ITIL4 durchaus agil herausgeputzt und ist augenscheinlich ein guter Partner für DevOps und andere agile Frameworks. Beide Partner haben Stärken, die die Schwächen des jeweils anderen kompensieren bzw. perfekt ausgleichen. Zusammen ist das „Team“ ITIL4-Devops eine perfekte Antwort auf die modernen Anforderungen unserer heutigen Business-IT-Welt. Auch wenn es ihnen noch nicht so richtig bewusst ist, sie brauchen einander. Es geht nicht richtig gut ohne den anderen.

Allerdings entwickelt die Unterschiedlichkeit der durchaus selbstbewussten Charaktere auch entsprechende Spannungsfelder und Fliehkräfte. Langweilig wird es aus meiner Sicht in dieser Beziehung nicht, aber wer will das schon.

Entscheidend für eine gute Partnerschaft ist, wie im richtigen Leben, dass „man“ sich aufeinander einlässt und versteht, dass 1+1 in dem Fall mindestens 3 oder vielleicht auch 4 ergeben kann, und man als „ITIL4-Devops Team“ im IT-Betrieb fürs Business unschlagbare Mehrwerte schaffen kann.

Ja, und manchmal entwickelt sich zu einer vertrauensvollen Liebesbeziehung, was als Interessengemeinschaft gestartet ist… So ist das Leben. Wir bleiben gespannt.