In den kommenden Jahren verpflichtet die EU-Richtlinie CSRD viele deutsche Krankenhäuser zur Erstellung umfassender Nachhaltigkeitsberichte in den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance (ESG). Auch wenn die Berichtspflicht für viele Kliniken um zwei Jahre verschoben wurde, lohnt sich nachhaltiges Handeln schon jetzt – etwa durch besseren Zugang zu besseren Finanzierungsbedingungen, stärkere Krisenfestigkeit und eine attraktive Positionierung im Wettbewerb um Fachkräfte.
Gesundheitswesen: Systemrelevant und emissionsintensiv
Das Gesundheitswesen verursacht laut Umweltbundesamt 5,2 Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen. Ein Krankenhausbett verbraucht so viel Energie wie vier Einfamilienhäuser. Zudem fallen täglich rund 8 Tonnen Müll pro Klinik an – Platz 5 im nationalen Müllranking.

Nachhaltigkeit als strategische Herausforderung für Kliniken
Viele Krankenhäuser stehen bei der Umsetzung nachhaltiger Maßnahmen vor Hürden: Es fehlt an zeitlichen Ressourcen, Know-how und finanziellen Mitteln. Nachhaltigkeit ist oft nicht in die Gesamtstrategie integriert, und eine belastbare Datenbasis für Entscheidungen fehlt. Die Folgen: höhere Betriebskosten, intransparente Strukturen, Imageverlust, Nachteile bei der Personalgewinnung und schlechtere Finanzierungskonditionen. Um zukunftsfähig zu bleiben, müssen Kliniken Nachhaltigkeit als festen Bestandteil ihrer Strategie verankern – unabhängig von gesetzlichen Vorgaben wie der CSRD.
Hintergrund CSRD – Wer muss wann berichten?
Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) ersetzt die bisherige Non-Financial Reporting Directive (NFRD) und soll die Nachhaltigkeitsberichterstattung in der EU deutlich ausweiten und vereinheitlichen. Ziel ist es, Transparenz über ökologische und soziale Auswirkungen unternehmerischen Handelns zu schaffen – und damit nachhaltige Finanzströme zu fördern.
Die Umsetzung erfolgt schrittweise ab 2025. Mit der EU-Richtlinie 2025/794 vom 14. April 2025 wurde jedoch eine wichtige Änderung beschlossen: Unternehmen, die bislang nicht berichtspflichtig waren, erhalten zwei Jahre mehr Vorbereitungszeit.1 Für viele Krankenhäuser bedeutet das: Die Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung greift erst ab dem Geschäftsjahr 2027.
Trotz Aufschub bleibt der Aufwand hoch: ESG-Daten sind oft unvollständig, uneinheitlich und schwer zugänglich. Kliniken sollten die gewonnene Zeit nutzen, um robuste Strukturen aufzubauen – etwa mittels Durchführung einer doppelten Wesentlichkeitsanalyse, der Konsolidierung von Datenquellen und dem Aufbau von Reportingprozessen.
Zwischen Serverraum und CO₂-Bilanz: Die stille Umweltlast der IT
Digitalisierung wird im Gesundheitswesen immer wichtiger. Branchenunabhängig ist IT einer der größten Energie- und Ressourcenverbraucher in Unternehmen:
- Weltweit entfallen heute rund 4 Prozent der gesamten CO²-Emissionen auf die IT – Tendenz steigend.2
- Im Jahr 2040 werden ca. 14 Prozent aller Emissionen von IT verursacht.3
- Den CO² Fußabdruck ihrer IT können aber nur 1 Prozent der Unternehmen bestimmen.4
Krankenhäuser müssen Digitalisierung und Nachhaltigkeit zusammen denken. Hier setzt das Konzept der Sustainable IT an.
Was bedeutet Sustainable IT?
Sustainable IT beschreibt einen ganzheitlichen Ansatz, bei dem IT nicht nur effizient betrieben, sondern aktiv zur Verbesserung der Nachhaltigkeitsleistung eingesetzt wird. Dabei lassen sich zwei zentrale Bereiche unterscheiden:
1. IT for Sustainability – Nachhaltigkeit durch IT steuern
IT als Enabler für Nachhaltigkeit – z. B. durch die Nutzung von ESG-Reporting-Tools, datenbasierte Entscheidungen (Big Data, KI) und nachhaltige Geschäftsmodelle.
2. Green IT – Ressourcenschonende IT betreiben und beschaffen
Nachhaltige IT durch energieeffiziente Rechenzentren, ressourcenschonende Hard- und Software, langlebige oder wiederaufbereitete Geräte sowie eine bedarfsgerechte Cloud-Nutzung. Ergänzt wird dies durch die Sensibilisierung der Mitarbeitenden für einen verantwortungsvollen IT-Einsatz.
Sustainable IT ist damit weit mehr als ein technisches Konzept – sie ist ein strategischer Hebel für ökologische, ökonomische und soziale Verantwortung im digitalen Zeitalter.
Nachhaltigkeit braucht Struktur
Nachhaltigkeit lässt sich nicht „einführen“ wie ein neues Tool oder ein weiteres Modul im Krankenhausinformationssystem. Wer Sustainable IT ernst meint, muss bereit sein, bestehende Strukturen zu hinterfragen – und zwar nicht nur technisch, sondern auch organisatorisch und kulturell.
Das beginnt bei der Governance: Nachhaltigkeit braucht klare Verantwortlichkeiten, etwa in Form eines ESG-Steuerungskreises oder einer benannten Nachhaltigkeitskoordination. Ohne diese Verankerung bleibt das Thema in der Projektwelt stecken – mit dem Risiko, bei der nächsten Budgetrunde wieder gestrichen zu werden.
Auch die strategische Einbindung ist entscheidend. ESG-Ziele dürfen nicht isoliert in Nachhaltigkeitsberichten auftauchen, sondern müssen mit dem klinischen Controlling, dem Qualitätsmanagement und dem Risikomanagement verzahnt werden. Nur so entsteht ein belastbares Fundament für Entscheidungen, die sowohl ökologisch als auch ökonomisch tragfähig sind.
Und schließlich: Nachhaltigkeit muss gelebt werden. Das bedeutet, Mitarbeitende nicht nur zu sensibilisieren, sondern zu befähigen – etwa durch Schulungen, klare Leitlinien und die Integration von Nachhaltigkeit in bestehende Prozesse. Wer Nachhaltigkeit als Querschnittsaufgabe versteht, wird feststellen: Sie ist kein zusätzlicher Aufwand, sondern ein Hebel für Effizienz, Sicherheit und Zukunftsfähigkeit.
Einstieg von Kliniken in Sustainable IT – pragmatisch und machbar
Der Einstieg in Sustainable IT im Gesundheitswesen muss nicht mit einem Big Bang beginnen. Vielmehr geht es darum, pragmatisch und datenbasiert vorzugehen. Ein sinnvoller erster Schritt in Krankenhäusern ist die Analyse des Status quo – etwa durch eine Reifegradbewertung oder eine Wesentlichkeitsanalyse, die aufzeigt, welche ESG-Themen für das jeweilige Haus wirklich relevant sind.
Darauf aufbauend lassen sich gezielt Maßnahmen priorisieren – von der Konsolidierung vorhandener Datenquellen über die Einführung energieeffizienter IT-Infrastruktur bis hin zur Auswahl geeigneter Tools für das ESG-Reporting. Wichtig ist, dass diese Schritte nicht isoliert erfolgen, sondern in ein strategisches Gesamtkonzept eingebettet sind.
Wer diesen Weg geht, schafft nicht nur Transparenz und Rechtssicherheit, sondern auch die Grundlage für eine kontinuierliche Verbesserung – und damit für eine IT, die nicht nur funktioniert, sondern Verantwortung übernimmt.
Fazit: Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen ist Pflicht, kein Zusatz
Nachhaltigkeit ist kein Zusatz, sondern ein strategischer Erfolgsfaktor für Kliniken. Durch die CSRD werden ESG-Berichte für viele Kliniken in den nächsten Jahren verpflichtend. Doch wer jetzt startet, profitiert früher – durch Effizienzgewinne, Finanzierungsvorteile und Zukunftssicherheit. Besonders die IT muss neu gedacht werden – nicht als Projekt, sondern als strategischer Umbau. Nachhaltigkeit ist kein bürokratischer Mehraufwand, sondern ein Wettbewerbsvorteil.
- Vgl.: EUR-Lex – Richtlinie (EU) 2025/794 ↩︎
- Vgl.: IT 4% der Emissionen: The real climate and transformative impact of ICT: A critique of estimates, trends, and regulations: Patterns ↩︎
- Vgl.: Assessing ICT global emissions footprint: Trends to 2040 & recommendations – ScienceDirect ↩︎
- Vgl.: Green IT survey. IBM Institute for Business Value. n = 1100. April 2024 ↩︎