Herausforderungen im After-Sales-Bereich präventiv verhindern
Das Qualitätsempfinden der Kund:innen hat einen stetig wachsenden Einfluss auf die Marktstellung der Automobilhersteller. Dieses subjektive Gefühl wird sowohl durch die faktische Produktionsqualität als auch durch die Kommunikation gegenüber den Kunden getrieben. Die daher benötigte kontinuierliche Verbesserung der Produktionsprozesse und -abläufe kann unter anderem durch Big-Data-Analysen aus dem After-Sales-Bereich erreicht werden. Die Auswertung dieser Daten gibt wichtige Anhaltspunkte zur Kundenzufriedenheit. Zudem kann sie auf Kausalitäten zu Händlern, Herstellern, Lieferanten und Werkstätten ebenso wie auf Optimierungspotenziale innerhalb des After-Sales-Bereiches hinweisen und Entwicklungsmöglichkeiten der Produktionsprozesse aufdecken.
(After-)Sales-Bereich in der Automobilbranche
After-Sales-Service bedeutet für Autokäufer:innen Kundenbetreuung – im Showroom, während des Verkaufsprozesses – sowie die Kommunikation und Support nach dem Kauf. Kurz gesagt umfasst er viele Prozesse, die sicherstellen, dass Kund:innen mit den Produkten und Dienstleistungen ihres Automobilherstellers zufrieden sind. Die Erfüllung der Bedürfnisse und Anforderungen der Kund:innen sind dabei ausschlaggebend für ein positives Markenerlebnis.
Warum ist ein After-Sales-Service notwendig?
After-Sales-Service spielt eine entscheidende Rolle, wenn es um Kundenzufriedenheit und -bindung geht. Hierfür ist ein herausragender Service Voraussetzung. Eine langanhaltende Bindung zwischen Käufer:innen und Autohersteller resultiert in einem stärkeren Kundenvertrauen, welches zu einer höheren Loyalität der Verbraucher:innen in die Marke führt und zur Steigerung des Markenwerts beiträgt. Dies begünstigt das Kundenverhalten, denn ein zufriedener und glücklicher Kunde bringt mehr Empfehlungen und schließlich höhere Einnahmen für den Autohersteller. Langfristig wirkt sich das positiv auf die Wettbewerbsfähigkeit aus.
Neue Herausforderungen für den After-Sales-Bereich
Allerdings stehen After-Sales-Services vor neuen Herausforderungen. So beeinflussen digitale Trends und Innovationen die Erwartungshaltung der Kund:innen.
Die Kundenanforderungen werden zunehmend anspruchsvoller, sodass zusätzlich zu den Produktionsausgaben auch die Kosten steigen, die für die Umsetzung dieser Anforderungen erforderlich sind. Zunehmende Ausgaben treiben die Autohersteller zur Bildung grundlegender Strategien zur Kundenzufriedenheit und -bindung. Zunehmende Ausgaben im After Sales können für Autohersteller eine Belastung darstellen, da diese Ausgaben in der Regel nicht direkt dem Verkauf von Fahrzeugen zugerechnet werden und daher nicht direkt zu den Gewinnmargen beitragen. Um diese Belastung zu minimieren, versuchen Autohersteller, ihre Kund:innen dazu zu bewegen, ihre Fahrzeuge möglichst lange zu behalten und regelmäßig Wartung und Reparaturen durchzuführen. Eine Möglichkeit, dies zu erreichen, ist die Bildung von Strategien zur Kundenzufriedenheit und -bindung, die darauf abzielen, die Kunden zufrieden zu stellen und sie davon zu überzeugen, ihre Fahrzeuge beim gleichen Hersteller oder Händler zu warten und zu reparieren. Dies kann durch die Bereitstellung von z.B. digitalen Services erreicht werden.
Eine andere Möglichkeit ist die Einführung von Kundenbindungsprogrammen, bei denen Kunden für ihre Treue belohnt werden, z.B. durch Preisnachlässe oder exklusive Angebote.So werden im After-Sales-Bereich digitale Services zunehmend zum bedeutenden Instrument der Kundenbindung. Es stehen viele neue Kommunikationswege bzw. Interaktionspunkte durch Social Media, Connected Cars und Apps zur Verfügung. Durch deren Nutzung entstehen immer größere Datenmengen. Basierend auf den daraus gewonnenen Erkenntnissen kann ein Automobilunternehmen auf Kund:innen zugeschnittene Angebote erstellen und anbieten. Daher gehören personalisierte Angebote und der damit einhergehende Service zu den Voraussetzungen für eine langfristige Kundenbindung und -zufriedenheit. Dies geschieht entweder nach dem direkten Kundenkontakt oder vorrausschauend, zum Beispiel nach Altersgruppe. Herausfordernd ist insbesondere der Umgang mit negativen Ereignissen, die die Kundenzufriedenheit herabsetzen können und dazu führen, dass Kund:innen sich anderweitig orientieren. Dazu zählen beispielsweise Rückrufaktionen, die vom Autohersteller durchgeführt werden, um Produktionsmängel zu eliminieren oder wiederholte Reparaturen. Transparente Kommunikation gegenüber Kund:innen ist deshalb essenziell, um das Vertrauen in das Produkt und die Marke weiterhin zu wahren.
Ebenso haben E-Mobilität, Car Sharing sowie autonomes Fahren einen neuen Einfluss auf die Reparaturwerkstätten. E-Mobilität führt zur Verringerung der Wartungsintensität und des Austausches von Verschleißteilen. Zudem werden neue Daten gesammelt (z.B. Fahrleistung Sommer/Winter), die für Big-Data-Analysen interessant sein können.
After-Sales: Kommunikation zwischen Hersteller und Werkstatt
Im After-Sales-Bereich übernimmt die Werkstatt eine wichtige Rolle. Die Kommunikation zwischen den Kund:innen und dem Hersteller wird zu einem bedeutenden Anteil über diesen Kanal geführt und gefiltert. Kommunikationsschwächen zwischen Hersteller und Werkstatt haben demnach große Auswirkungen auf die Kauferfahrung der Kund:innen. Insbesondere bei Vertragswerkstätten repräsentiert die Werkstatt auch den Hersteller, da sie als eine Einheit wahrgenommen werden. Wenn der Service einer der Parteien unterdurchschnittlich ist, wirkt sich das auch auf das gemeinsame Bild aus. Durch unzureichende Kommunikation zwischen Werkstatt und Hersteller kann es zu erheblichem Informationsverlust kommen. Kund:innen fühlen sich infolgedessen nicht gehört oder wahrgenommen.
Die Schwierigkeiten in der Kommunikation liegen auf der Hand: Der Hersteller wird durch eine Vielzahl an Werkstätten unterstützt und die Werkstatt unterstützt gegebenenfalls mehrere Hersteller. Die Anforderungen an Informationsfluss, Detailgrad und Qualität unterscheiden sich allerdings deutlich von Hersteller zu Hersteller. Dies erschwert den Prozess für die Werkstätten erheblich.
Big Data Analytics im After-Sales: Mit Daten und Analysen neue Potenziale erschließen
Big Data wird aufgrund der genannten Herausforderungen zunehmend interessanter für den After-Sales-Bereich der Automobilindustrie. Autohersteller sammeln und verarbeiten jeden Tag eine riesige Menge an weltweiten Daten (Produktions- und Verkaufsdaten, aber auch Daten aus Reparaturwerkstätten). Dazu zählen unter anderem Fahrzeugbaumuster, Produktionswerk, Laufleistung pro Tag, Reparaturbetrieb und -land, Servicetyp oder auch Details zu eingebauten Ersatzteilen. Diese Daten werden dann zusammengetragen und analysiert.
Für Autohersteller erweitern Big-Data-Analysen das Spektrum an Informationen für die Produktplanung, Automobilentwicklung, Qualitätsverbesserung, Fertigung, Logistik und den Kundenservice. Das Zusammenführen von Daten aus der Produktion und der Qualität im Feld liefern dem kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) wichtige Kenntnisse für die Fahrzeugproduktion und Lieferantenqualität. In den verschiedenen Bereichen der Produktion werden dabei die Gewerke für Rohbau, Lackierung und Montage, in denen sich die technologischen Prozesse unterscheiden (automatisch mit Robotik, mit Zuarbeit von Bandmitarbeitern etc.), berücksichtigt.
Mit der Implementierung von Big Data-Technologien ist es möglich, enorme Datenmengen mit hoher Geschwindigkeit zu erhalten, wie z. B. für die Kontrolle der Lieferkette mit Echtzeitdaten, Bestandskontrolle und -verwaltung sowie die Verbesserung von Prognosemodellen. Die Verwendung digitaler Tools und die durchgängige Vernetzung greifen insbesondere bei Tätigkeiten vom Vertrieb über Entwicklung, Konstruktion, Einkauf, Produktionsplanung/-steuerung, Buchhaltung, Controlling bis zum After-Sales. Die Daten können dann bei der Entscheidungsfindung bzw. für die Entwicklung eines neuen Modells oder die Bereitstellung neuer Dienstleistungen insbesondere im After-Sales-Bereich verwendet werden. Erkenntnisse aus dem After-Sales können somit heutzutage präzise die Produktionsprozesse optimieren, anstatt den gesamten Kreislauf mit entsprechender Verzögerung zu durchlaufen (Abbildung 1: Prozesskreislauf).
Big Data Analytics im Automotive-Bereich
Auch gibt es neue Ansätze durch NLP (Natural Language Processing). Wenn beispielsweise eine Werkstatt das Schadensbild „Tür auf Lenkradseite klappert“ aufschreibt, während eine andere Werkstatt „Fahrertür scheppert“ notiert, erkennt das Analysemodul, dass es sich hier um ein ähnliches Problem handelt. Dieses Vorgehen war bisher ohne die entsprechenden Tools und technischen Möglichkeiten von Big Data und NLP nicht möglich.
Derzeit ist in der Big-Data-Welt die Menge an Big-Data-Technologien überwältigend und es kann schwierig sein, die geeignete Technologie für den entsprechenden Use Case auszuwählen. Die aus der Produktion und der Feld-Qualität gelieferten Daten gilt es zu verstehen, um sie für Big-Data-Analysen nutzen zu können. Des Weiteren ist die Datenqualität von entscheidender Bedeutung. Daten liegen je nach vorliegendem System unstrukturierter oder bereits in strukturierter Form vor. Sie resultieren aus allen verfügbaren Systemen, welche z.B. an ein Data Warehouse angeschlossen sind. Dies ist insbesondere bei etablierten Systemen (bspw. Mainframe-Systemen) komplex und stellt Autohersteller vor weitere Herausforderungen.
Daten werden z.B. mit Technologien wie Kafka oder Talend aus verschiedenen Datenquellen erfasst und aufbereitet bzw. angereichert. Anschließend werden für die Datenspeicherung cloud-, hybrid- oder On-premises-basierte Lösungen angeboten. Für Machine Learning kann unter anderem Spark oder TensorFlow verwendet werden. Der Aufbau dieser Landschaft erfolgt durch Prozesse innerhalb der IT des jeweiligen Unternehmens. Anschließend kommen Visualisierungstools wie Tableau, Power BI, Grafana etc. zum Einsatz, in denen Dashboards entwickelt werden, um den Benutzer:innen bzw. Endusern die Ergebnisse aus den verarbeiteten Daten zu präsentieren und ihnen einen Überblick über die gesamte Bandbreite ihrer Daten zu liefern. Dabei werden die Dashboards individuell auf die erforderlichen Anforderungen der jeweiligen Abteilungen eines Unternehmens angepasst. Zusätzlich können die analytischen Informationsverarbeitungen in unterschiedlichen Zeitabschnitten erfolgen (Echtzeit oder z.B. tägliche Abfrage).
Die Auswertung von Big Data Analysen im After-Sales-Bereich kann Ursachen für Veränderungen in der Kundenzufriedenheit oder auf Zusammenhänge zwischen Händler, Reparaturwerkstatt und Hersteller – ggf. auch auf Zulieferer aufzeigen. Ebenso werden Optimierungspotenziale innerhalb des After-Sales-Bereiches sowie in Produktionsprozessen herausgearbeitet. Langfristig führen diese Analysen zu einer signifikanten Steigerung der Produktionsqualität sowie zu Wettbewerbsvorteilen.