Neues aus dem RPA-Preis-Dschungel

 

Lizenzkosten auf dem Prüfstand

Steigende Preise – sie sind DAS Thema der letzten Monate. Hohe Inflation und steigende Energiepreise werden auf Produkte und Dienstleistungen umgelegt, wo es möglich ist. Ein Umstand, der sowohl das private, aber auch das geschäftliche Umfeld betrifft. Es gibt auch andere Preistreiber, die Software-Nutzer vor Herausforderungen stellen: Änderungen am bestehenden Lizenzmodell. Preissteigerungen fallen meist zum Ende der Vertragslaufzeit an und sind in der Regel planbar. Es gibt jedoch Ausnahmen, die für eine unangenehme Überraschung sorgen können. Größtenteils begründen Hersteller diese ungeplanten Preisanpassungen mit neuen oder erweiterten Funktionalitäten.

RPA-Lizenzmodelle der Vergangenheit

Die Lizenzmodelle der führenden RPA-Hersteller wie z.B. Blue Prism, UiPath und Automation Anywhere waren über viele Jahre ähnlich strukturiert. Ihre wichtigsten Komponenten waren dabei die Lizenz für den Entwicklungsarbeitsplatz sowie die Server- und die Bot-Lizenz. Diese wurden meist zur Miete oder zum Kauf angeboten. Darüber hinaus standen Kunden meist optionale Lizenzen für die Dokumentenextraktion oder KI zur Verfügung, falls sie benötigt werden sollten. Diese Komponenten basierten meist auf einem nutzungsabhängigen Kostenmodell. So kostete das Auslesen von Dokumenten dann z.B. einen bestimmten Betrag pro Seite.

Mieten statt kaufen

Bereits vor einigen Jahren wurden von vielen RPA-Herstellern die Kaufoptionen aus dem regulären Lizenzmodell entfernt. Seitdem steht allein die Mietoption zur Verfügung. Begründen lässt sich dies mit der Ausweitung der Cloud-Angebote. Die meisten Hersteller bieten dennoch weiterhin die Möglichkeit, Server On-Premises zu betreiben. Oft können Kunden zwischen diesen beiden Modellen wählen, ohne dass es einen Preisunterschied in der Lizensierung gibt.

LizenztypProKontra
Verbrauchs- oder nutzungsabhängig   (z.B. Roboterminuten oder AI-Units)    Man zahlt nur für das, was man tatsächlich nutzt. Besonders bei verhältnismäßig geringer Nutzung ist dies oft günstiger als eine Miet- oder Kaufoption.Keine oder nur geringe Kosten bei Stillstand des Bots.Bei schwankender Nutzung mit der Tendenz zu höheren Verbrauchswerten sind die Kosten schlecht planbar.Häufig wird eine Mindestabnahme vereinbart, die immer berechnet wird.  
Nutzerbasiert (Named User)Wie beim verbrauchs- oder nutzungsabhängigen Modell werden nur die tatsächlich genutzten Lizenzen berechnet.In der Regel sind diese günstiger als Concurrent-User Lizenzen.Meist ist die Bindungsdauer auf einen fixen Zeithorizont, z.B. 12 Monate, festgelegt. Nutzung einer Lizenz durch mehrere User ist nicht möglich.  
MieteZunächst geringere Kosten als beim Softwarekauf.Wartung ist in der Regel im Mietpreis inkludiert.Die Nutzungsmöglichkeit ist an die Mietdauer gebunden.Über einen längeren Zeitraum deutlich teurer als eine Kauf-Lizenz.  
KaufDie Lizenz gehört dem Käufer.Der Käufer kann die Wartung kündigen und somit Kosten sparen.Die Lizenzen können auch weiterverkauft werden, wenn sie nicht mehr genutzt werden.  Hohe Investitionskosten bei Anschaffung der Software.

Lizenztypen im Überblick

Heute liegt bei Anbietern meist eine Mischung aus einem Mietmodell und optionalen nutzungsabhängigen Komponenten vor.

Eine Besonderheit bildet hierbei das Microsoft Lizenzmodell, bei dem verschiedene Varianten zur Lizensierung möglich sind. Lizenzen werden entweder pro User oder pro Flow-Ausführung angeboten. Dabei wird zusätzlich zwischen beaufsichtigter und unbeaufsichtigter Automatisierung unterschieden.

Pay-per-Use und Mietmodell im Vergleich

Bleiben wir kurz bei den Basis-Komponenten Server, Bot und Entwicklungsarbeitsplatz und betrachten wir zwei unterschiedliche Ansätze, um die Kosten des nutzenabhängigen und des klassischen Mietmodells gegenüberzustellen. Beim Mietmodell steht der Server mit den Bots 24 Stunden das ganze Jahr über zur Verfügung, während beim Pay-per-Use Modell die tatsächliche Nutzung in Einheiten, wie z.B. Roboterminuten abgerechnet wird.

Pay per Use mit Basispreis
Pay per Use mit Basispreis

Im ersten Diagramm wurde ein Basispreis des nutzenabhängigen Modells zugrunde gelegt, der nicht unterschritten werden kann. In diesem Fall wird der Break-even-Point bei Einführung des fünften Bots erreicht, was bei führenden RPA-Anbietern in etwa einem jährlichen Mietpreis von 70.000 bis 100.000 Euro entspricht.

Abbildung 1: Pay per Use mit Basispreis im Vergleich zum Mietmodell

Im zweiten Diagramm mit einem linearen Kostenverlauf ohne Basispreis ist das nutzungsabhängige Lizenzmodell im Vergleich zur Miete deutlich günstiger.

Pay per Use ohne Basispreis im Vergleich zum Mietmodell Hinweis: Beide Kostenverläufe stellen nur eine grobe Orientierung dar, die im Einzelfall auf das jeweilige Kundenszenario übertragen werden muss
Pay per Use ohne Basispreis im Vergleich zum Mietmodell Hinweis: Beide Kostenverläufe stellen nur eine grobe Orientierung dar, die im Einzelfall auf das jeweilige Kundenszenario übertragen werden muss

Die Lizenzkosten bei Neukundenprojekten

Im Rahmen der RPA-Einführung sind die Kosten für das in der Einführung zugrunde gelegte Einstiegsszenario ein wichtiger Vergleichspunkt zwischen Herstellern. Dabei wird jedoch häufig außer Acht gelassen, wie sich die Kosten bei einer Ausweitung des Nutzungsumfangs entwickeln. Während mit einem Mietmodell weitere Use Cases durch das erste Projekt mitfinanziert werden und keine zusätzlichen Kosten entstehen, ist dies bei einer nutzungsbasierten Lizenz nicht der Fall. Gerade für Neukunden ist es schwierig abzuschätzen, welches Lizenzmodell das richtige ist, da zu Beginn meist nur ein Use Case zur Diskussion steht und sich der tatsächliche Lizenzbedarf erst mit der Zeit ergibt. So können scheinbar kostengünstige Angebote bei einer Ausweitung der Initiative zu erheblichen Kostensteigerungen führen.

Schon gewusst?

Wenn neue Releases durch Anbieter auf den Markt gebracht werden, kann es vorkommen, dass bestehende Features entfallen oder durch neue Features ersetzt werden. Neben den Anpassungen am Lizenzmodell könnte somit auch das Thema “Migration” ins Haus stehen.  Ein Beispiel dafür ist das Release Automation 360 (ehemals Enterprise A2019) von Automation Anywhere, dass eine Migration von Version V11 notwendig macht.

Neues Lizenzmodell – Funktionsanpassung?

Hersteller ändern regelmäßig ihre Preise, häufig werden Bestandskunden jedoch übergangsweise alte Kondition angeboten. Dass ein Lizenzmodell komplett geändert wird, passiert eher selten. Meistens ist dies der Fall, wenn Hersteller sich zusammenschließen und sich neu ausrichten. Mittlerweile bieten auch viele namhafte Softwarehersteller RPA als Bestandteil ihres Lösungsportfolios an. Darunter sind z.B. Microsoft, SAP, MuleSoft (Salesforce), ServiceNow oder IBM. Diese RPA-Integrationen sind häufig durch den Zukauf eines existierenden RPA-Anbieters zustande gekommen. In diesen Fällen findet ein Wechsel von der zuletzt genutzten Software auf die neue Version des neuen Anbieters statt. Es lohnt sich zweimal zu überlegen, ob man das neue Lizenzmodell akzeptieren kann oder ob es Handlungsbedarf gibt.

In Gesprächen mit Kunden, wird oftmals festgestellt, dass eine Anpassung bestehender Lizenzmodelle häufig zu Verunsicherung führt. Diese löst sich oft nur, wenn sofort klar ist, wie sich die Veränderung auf die Automatisierungsstrategie auswirkt. Besonders dann, wenn es einen Wechsel von einem bestehenden zu einem neuen Lizenzmodell gibt, ist es meist nicht leicht ersichtlich, ob der Wechsel vorteilhaft ist oder ob die Umstellung langfristig deutlich höhere Kosten mit sich bringt.

Lizenzmodellanpassung – Wie reagiere ich?

  1. Prüfen Sie, wie sich das neue Modell auf die aktuelle Nutzung Ihrer RPA-Installation auswirkt.
  2. Werfen Sie einen Blick in die Zukunft. Bleibt Ihre Nutzung gleich oder ist eine intensivere Nutzung geplant?

Im optimalen Fall führt ein neues Lizenzmodell sogar zu geringeren Kosten und es gibt keinen Bedarf für eine Veränderung. Bleiben die Kosten weitestgehend gleich und es gibt keine großen Veränderungen hinsichtlich der Automatisierungsstrategie, gibt es auch keinen Handlungsbedarf. Sind dagegen weitere RPA-Projekte in der Prozess-Pipeline, können diese möglicherweise bei ihrer Umsetzung zu steigenden Kosten führen. Ob sich die Ausweitung der Automatisierung mit der RPA-Plattform unter diesen Voraussetzungen noch lohnt, muss individuell geprüft werden.

Alternativen zur RPA-Plattform prüfen kann sich lohnen

Insbesondere bei umfangreichen Anpassungen am Lizenzmodell lohnt es sich, Nutzen und neue Aufwände gegenüberzustellen.

 Generell ist ein Wechsel des Anbieters bei hohen Lizenzkosten mit vergleichsweise wenigen Prozessen sinnvoll. Mit wachsender Anzahl der Prozesse steigt auch gleichzeitig der Aufwand für die Migration. In diesem Fall ist abzuwägen, ob die Migrationskosten einen Plattformwechsel lohnend erscheinen lassen.

Handlungsempfehlungs-Matrix

Um es vereinfacht darzustellen sind bei der Entscheidungsmatrix nur zwei Dimensionen aufgeführt, die auf die Kostenebene abzielen:

  • Hohe Lizenzkosten im Vergleich zum Wettbewerb.
  • Hohe Migrationskosten, die sich nicht innerhalb eines mittelfristigen Zeithorizonts rechnen.

Daneben gibt es noch weitere Faktoren, die zu berücksichtigen sind, z.B. das Risiko einen Bot nicht innerhalb einer vorgegebenen Zeit migrieren zu können oder eine qualitative Verschlechterung des Prozesses mit einer anderen Software.

Fazit

In manchen Fällen sind Preissteigerungen durchaus gerechtfertigt. Ein besserer Service oder neue Features, von denen man Gebrauch machen möchte, sind dafür das beste Beispiel. In anderen Fällen heißt es dagegen erst einmal nicht in Panik zu verfallen und in Ruhe alle Alternativen abzuwägen. Gehen sie auf den Hersteller oder Softwarepartner zu und klären Sie, welche Auswirkungen neue Preis-/Lizenzmodelle auf Ihren bestehenden RPA-Betrieb haben.  

Quellen:

https://www.computerweekly.com/de/definition/Pay-as-You-Go-Cloud-Computing

https://docs.uipath.com/document-understanding/lang-de/docs/metering-charging-logic

https://docs.uipath.com/ai-fabric/lang-de/v0/docs/ai-units

https://www.mulesoft.com/de/automation-pricing

https://powerautomate.microsoft.com/de-de/pricing/

https://www.blueprism.com/de/news/blue-prism-introduces-consumption-based-pricing/

https://docs.automationanywhere.com/bundle/enterprise-v2019/page/enterprise-cloud/topics/control-room/dashboards/cloud-administration-licenses.html

Rechtslage für gebrauchte Software – Software ReUse (software-reuse.eu)