Enterprise Asset Management (EAM) trifft Process Mining

Sicher durch Audits mit EAM und Process Mining

Audit- und Compliance-Pflichten gehören mit zum Alltag der technischen Bereiche von Unternehmen und Behörden. Trotzdem ist es nicht immer einfach diesen Verpflichtungen im Rahmen der Instandhaltungs- und ServiceManagement-Systeme nachzukommen. Der folgende Artikel stellt daher vor, wie Process Mining die Instandhaltungsbereiche von Unternehmen bei der Vorbereitung und Durchführung von Prozessaudits unterstützen kann und den technischen Bereichen ein neues Instrument zur regelmäßigen Prüfung der Prozess-Compliance an die Hand gibt. 

Audits und Compliance in der Instandhaltung 

Grundsätzlich sind alle Unternehmen und Behörden gezwungen, im Rahmen der sogenannten Betreiberverantwortung Auflagen bezüglich Arbeitssicherheit und Umweltschutz zu erfüllen. Diese sind regelmäßig zu überprüfen und auditfähig zu dokumentieren. Eine amtliche Überprüfung findet hier aber erst statt, wenn es zu Zwischenfällen, z.B. Unfällen mit Personenschaden gekommen ist. Allerdings ist die saubere Einhaltung selbst dieser vermeintlich unbedeutenden Regeln bereits ein guter Indikator für die Arbeitsweise des Qualitätsmanagements eines Unternehmens, weshalb erfahrene Auditoren oftmals darauf achten.

Zusätzlich bestehen in verschiedenen Industriezweigen Anforderungen sowohl aus dem eigenen Qualitätsmanagement als auch von externen Kunden und Behörden. Sie verlangen über die rechtlichen Bestimmungen hinaus Transparenz über die Fertigung und der damit verbundenen Betriebs- und Instandhaltungsprozesse für Anlagen und Einrichtungen. Die Einhaltung dieser internen und externen Regelungen wird im Allgemeinen als ‚Compliance‘ bezeichnet und im Rahmen von Qualitäts- und Prozessaudits regelmäßig überprüft. Eine der Industrien mit erheblichen externen Auflagen ist z.B. die pharmazeutische Industrie mit Richtlinien gemäß der auditfähigen Good Manufacturing Practises (GMP). Aber auch in der Automobilindustrie muss mit zusätzlichen Anforderungen gerechnet werden, da die Zulieferer wiederkehrenden Kundenaudits bezüglich qualitäts- und kostenrelevanter Abläufe unterliegen. Und in jedem dieser Fälle ist auch die Instandhaltung von solchen Audits betroffen.

Kompliziert und damit verwaltungstechnisch aufwändig wird es, wenn das eigene Qualitätsmanagement und externe Auditoren nicht nur die Prozessdurchführung, sondern auch die einzelnen Verfahrensschritte nach verpflichtenden Standards. Von besonderem Interesse sind hierbei die Abweichungen von Standardprozessen, die analysiert werden müssen. Der Fokus dieser Analyse liegt dann auf der Betrachtung der getroffenen Maßnahmen zur Behebung von Prozessabweichungen und ungeplanten Prozessumgehungen.  

Die pharmazeutische Industrie bietet aufgrund der Kritikalität der Produkte und der möglichen Risiken in Forschung & Entwicklung aktuell den ‚Gold-Standard‘ der Audit- und Compliance-Anforderungen. In diesem stark durch international wirkende Behörden regulierten Umfeld bestimmen festgelegte Good Manufacturing Practises (GMP) die Verfahrensabläufe aller Unternehmensbereiche bis in die Werksinstandhaltung hinunter. Beim Auftreten von Prozessbrüchen finden Verfahren des Corrective And Preventive Action (CAPA) zur Fehleranalyse und Fehlervermeidung Anwendung. Diese Verfahren werden heute jedoch vielfach noch über wenig integrierte IT-Silolösungen unterschiedlicher Unternehmensbereiche abgebildet. Außerdem ist die Überwachung von GMP- & CAPA-Verfahren mit herkömmlichen Mitteln nur mit großem Verwaltungs- und Kommunikations-Aufwand möglich. Die tatsächlichen Prozessabläufe müssen visualisiert und damit transparent gemacht werden. Verantwortliche Mitarbeitende können daher nicht schnell und proaktiv agieren, weil grundsätzliche prozessuale Schwierigkeiten oft erst im Nachgang erkennbar werden. 

 Anwendungsübergreifende Workflows am Bsp. CAPA-Prozesse im Pharma-Umfeld

Abb 1. Anwendungsübergreifende Workflows am Bsp. CAPA-Prozesse im Pharma-Umfeld

Erschwerend für die Sicherstellung von Transparenz und Analysefähigkeit ist, dass instandhaltungsrelevante Prozesse häufig nicht ausschließlich im eigenen EAM-System abgebildet werden. Systemübergreifende Prozesse werden dabei in den originären Workflows unterschiedlicher Unternehmens-Anwendungen prozessiert. Dies führt zu Medienbrüchen, die Abläufe behindern und Durchlaufzeiten verlängern. Mangels IT-Unterstützung und durchgängiger Prozesstransparenz verbringt das Management derzeit zu viel Arbeitszeit in der Vorbereitung von Audits.

Process Mining für ein Gesamtbild der Instandhaltungsprozesse

Process Mining ermöglicht tiefe Einblicke in gelebte Unternehmensprozesse. Dazu bedarf es lediglich geeigneter Daten, die heute bereits in großem Umfang erhoben, aber in den meisten Fällen nicht systematisch genutzt werden. Daten aus den vorhandenen IT-Systemen der Instandhaltung wie z.B. EAM-Systeme, Facility Management-Lösungen oder Access-basierten Eigenentwicklungen, sind der technische Spiegel gelebter, historisch gewachsener Unternehmensprozesse – man muss lediglich wissen, wie man in ihn hineinblickt!

Exemplarisches Process Mining eines P2P-Prozesses

Abb. 2: Exemplarisches Process Mining eines P2P-Prozesses

Die Schlüsselkomponente dafür ist Process Mining, mit dessen Hilfe gezielt relevante Prozess-kenntnisse aus den verfügbaren Daten ermittelt werden können. Im Verlauf einer Datenanalyse werden die Eventlogs der Instandhaltungs-Management-Lösung untersucht und als verständliche Ablaufstrukturen im Process Mining-Werkzeug dargestellt. Durch schrittweises Hin­zu­fügen betroffener Kernsysteme erhält man ein interaktives Gesamtbild von Ende-Zu-Ende-Prozessen.

In Bezug auf das Instandhaltungs-Management bedeutet das, dass Process Mining sein Potenzial bei der Gesamtbetrachtung der Prozessabläufe entfaltet. Zum einen bildet es den gesamten Workflow ab, inklusive der Daten aus EAM-Tools, weiteren angebundenen Anwendungen, z.B. Alarm-, Risiko- und Sicherheits-Management, und dem technischen­ Einkauf. Zum anderen stellt Process Mining ein wirksames Bindeglied in fragmentierten IT-Prozesslandschaften dar. Da es den operativen Werk­­zeugen übergeordnet ist, kann es die nötigen Daten aus den unterschiedlichen Anwendungen konsolidieren und sie als Gesamtbild präsentieren. Dadurch kann das strategische Potenzial der historisch gewachsenen Datentöpfe übersichtlich dargestellt werden.

Instandhaltung und Process Mining – gemeinsam unschlagbar

Ein wesentlicher Mehrwert von Process Mining für die Verantwortlichen in der Instandhaltung, ist die Befähigung zur Vorbereitung und Durchführung von Prozessaudits. Durch die automatisierten Analyse-Verfahren können regelmäßige Auswertungen zur Prozess-Compliance ebenso durchgeführt werden wie Ad-Hoc-Aussagen im Rahmen von kurzfristig angesetzten Kunden- oder Qualitätsaudits. Zudem bekommt die Instandhaltungsleitung mit Process Mining ein Werkzeug, mit dem sie jederzeit die Einhaltung eigener ‚Compliance‘-Richtlinien überprüfen kann, bevor es zum ‚scharfen‘ Audit durch Behörden oder Kunden kommt.

Viele Unternehmen haben sich, getrieben vom Qualitäts-Management oder einer notwendigen ISO-Zertifizierung, die Aufgabe gesetzt, über einen ‚kontinuierlichen Verbesserungs­prozess‘ (KVP) sowohl technische als auch prozessuale Defizite zu erkennen und diese abzustellen. Diese KVP-Verfahren finden auch im Betrieb und der Instandhaltung technischer Anlagen und Gebäude Anwendung. Hier bietet Process Mining ein neues und einfach zu bedienendes Instrument, über das abteilungs- und systemübergreifende Prozesse transparent und Prozessabweichungen sofort erkennbar gemacht werden können.

Sollten tatsächlich Differenzen zum erwünschten Ablauf auftreten, ermöglicht es das Process Mining, den Fehlerquellen und -ursachen durch eine tiefergehende Datenanalyse auf den Grund zu gehen. Hier kann sehr schnell deutlich gemacht werden, an welchen Stellen es zu Prozessbrüchen, Prozess­umgehungen oder einfach nur zu Verzögerungen in Prozessen kommt. Die für die Instandhaltung verantwortlichen Abteilungen bekommen so ein klares Bild über den Status und die Qualität der eigenen Prozesse. Ebenso transparent abgebildet werden die Auswirkungen externer Faktoren wie z.B. Prozessverzögerungen durch lange Genehmigungswege oder Lieferengpässe. Auf Basis dieser Erkenntnisse ist es dann möglich, bereits proaktiv systemische Prozess-Probleme auf höherer Ebene genau so einfach zu identifizieren wie einmalige Abweichungen in Unterprozessen der Instandhaltung.

Darüber hinaus bietet Process Mining der Instandhaltung einen zusätzlichen Nutzen durch die Beantwortung dringlicher Fragen, z.B. zum aktuellen Planungsgrad von Meistereien oder zum Grad der Liefertreue gegenüber internen und externen Kunden von Instandhaltungsleistungen.

Fazit

Process Mining ermöglicht es durch seine tiefgreifenden automatisierten Datenanalysen genaue Abbildungen der Unternehmensprozesse sowie vorhandener Abweichungen darzustellen und somit Instandhaltungsprozesse auf Auditsituationen vorzubereiten. So bietet es den auditfähigen Nachweis der Einhaltung von behördlicher Compliance sowie interner Qualitätssicherungs-Vorgaben. Daneben erleichtert es die Implementierung eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) bezüglich auditwürdiger kritischer Prozesse in der Instandhaltung und der Beschaffung kritischer Ersatzteile.