Projektmanagement – ist doch klar… oder doch nicht?
Ein Projekt wird gestartet. Ein Vorgehen für Projekt und Projektmanagement muss definiert werden. Kein Problem – tausendmal gemacht. Oder ist es etwa doch nicht so einfach? Schließlich werden Projekte komplexer und damit schwerer zu steuern. Gerade in der IT überschlagen sich die Vorgehensmodelle. Besonders der Unterschied zwischen klassischen und agilen Methoden stellt eine Herausforderung an das Management. Sowohl Vorgehensmodelle für Projekte als auch Projektmanagementmethoden stellen verschiedene Anforderungen an die Art und Weise wie ein Projekt durchgeführt wird, welche Dokumente erzeugt werden und wie ein sinnvolles Reporting aussieht.
Modelle für Projektvorgehen und Projektmanagement
Schon lange gibt es verschiedene Ansätze für das Vorgehen in Projekten. Innerhalb der Welt des klassischen Projektmanagements gibt es sowohl Modelle, die das Vorgehen innerhalb eines Projektes beschreiben (z.B. V-Modell XT) als auch Methodensets für das Management von Projekten (z.B. nach IPMA). Innerhalb eines Projektes sind diese nicht immer trennscharf voneinander zu unterscheiden. Mit dem Aufkommen agiler Modelle kam eine weitere Welt hinzu. Agile Vorgehensmodelle, mit Scrum als bekanntestem Vertreter, haben mittlerweile einen festen Platz in der Art und Weise, wie Projekte heutzutage durchgeführt werden. Sowohl klassische als auch agile Methoden haben ihre Berechtigung und können Katalysatoren für den Projekterfolg sein. Es gibt Situationen, welche die Stärken der klassischen Methoden erfordern: Stabilität, klare Planungsgrundlagen und justiziable Dokumentation. Genauso existieren Gelegenheiten, die Flexibilität, schnelle Erzeugung von nutzbaren Ergebnissen und Selbstverpflichtung der Teammitglieder benötigen. Hier spielen agile Methoden ihre Stärken aus.
Hybrides Projektmanagement
Die Anforderungen von Projekten an Vorgehen und Management sind häufig sehr verschieden. Auch innerhalb von Projekten gibt es Phasen, Teilprojekte oder Aufgabenbereiche mit unterschiedlichsten Herausforderungen. Je nach deren Ausprägung haben klassische und agile Methoden Vor- und Nachteile.
Gerade bei größeren Projekten führt dies dazu, dass es häufig nicht möglich ist, ein Vorgehens- oder Projektmanagementmodell zu definieren, das für ein Projekt von Anfang bis Ende optimal ist. An dieser Stelle kommt das hybride Projektmanagement ins Spiel. Dieses Konzept bezeichnet die Verwendung von mehr als einem Projektmanagementmodell innerhalb eines Projekts. Dies kann erstens bedeuten, dass für verschiedene Phasen oder Teilprojekte verschiedene Modelle verwendet werden. Es ist jedoch auch zweitens möglich, sich aus verschiedenen Projektmanagementmethoden zu bedienen, um so ein zweckmäßiges Projektmanagement für ein Projekt zu formen. Ein Beispiel für das erstere Vorgehen ist die Verbindung von agilen und klassischen Methoden, indem die Gesamtsteuerung eines Projekts klassisch (z.B. nach IPMA) und das Management kleinerer Abschnitte agil (z.B. nach Kanban) durchgeführt wird. Ein Beispiel für das zweitere Modell ist hingegen die Verwendung von IPMA-Methodiken für das Risikomanagement und ein Reporting nach PRINCE2. An diesem Beispiel zeigt sich auch, dass hybrides Projektmanagement nicht zwangsläufig die Verbindung von klassischen und agilen Ansätzen bedeutet. Auch die Nutzung mehrerer agiler oder mehrerer klassischer Methoden kann ein sinnvolles Vorgehen sein. Prinzipiell ist es notwendig, die Merkmale von Methoden zu vergleichen und anhand des Projektkontexts zu entscheiden, welche Methoden für das Projekt erfolgversprechend sind.
Nachfolgend sind beispielhaft Vertreter der möglichen Kombinationen von Projektmanagement-Modellen beschrieben:
Klassisch + Klassisch:
- Wasserfall + PRINCE2: Es wird die Anforderungsdefinition gemäß dem Wasserfall-Ansatz durchgeführt. Während der Implementierung des Projektes kommen PRINCE2-Elemente, wie PRINCE2-Prozesse und deren Übergänge ins Spiel.
- IPMA + Simultaneous Engineering: Der Projektrahmen (Reporting, Risikomanagement, Qualitätsmanagement, usw.) wird nach IPMA-Vorgaben aufgesetzt. Die eigentliche Implementierung erfolgt in separaten, überlappenden Segmenten gemäß Simultaneous Engineering.
Klassisch + Agil:
- PRINCE2 Agile: Es werden die Prozesse des PRINCE2-Modells verwendet. Auf der Liefern-Ebene werden agile Ansätze genutzt, um iterativ die Ziele der aktuellen Phase anzusteuern.
- V-Modell + Scrum: Das V-Modell dient als übergreifende Klammer, die die linke (Anforderungserhebung) und die rechte Seite (Qualitätssicherung) des „V“ definiert. Im zentralen Implementierungspart wird in Scrum-Sprints verfahren.
Agil + Agil:
- Scrumban: Es werden Rollen und Vorgehen von Scrum mit dem Prozessteuerungsansatz von Kanban verbunden. Durch das Kanban-Board wird Projektfortschritt auch über Sprintgrenzen hinweg transparent.
- Extreme Programming + Scrum: Scrum bildet die prozessuale Klammer, innerhalb der sich die Projektmitarbeiter relativ frei bewegen. Statt definierter Scrum-Teams werden die Praktiken von Extreme Programming, wie Pair Programming zum Wissenstransfer, genutzt.
Es sind viele weitere Kombinationen etablierter Frameworks und Modelle denkbar. Auch eine Beschränkung auf die Verbindung von zwei Ansätzen ist nicht notwendig. Gerade in sehr großen Projekten werden sich diverse Methoden wiederfinden, da sich mit der Anzahl an Teilprojekten und Projektphasen oftmals die Menge an unterschiedlichen Projektmanagement-Anforderungen deutlich erhöht.
Herausforderungen des hybriden Projektmanagements
Die Nutzung hybrider Projektmanagement-Ansätze kann deutliche Vorteile mit sich bringen. Jedoch ist es ebenso notwendig, sich die möglichen Herausforderungen bei der Nutzung hybrider Modelle zu vergegenwärtigen.
Gerade die Zusammenführung klassischer und agiler Methoden birgt häufig Konfliktpotenzial, da hier unterschiedliche Philosophien aufeinandertreffen. Wie lässt sich der planerische Ansatz des Wasserfallmodells, das viel Aufwand investiert, um die Anforderungen an das Projektergebnis klar zu definieren, mit dem Projektmodell von Scrum in Einklang bringen, bei dem Zeit und Budget definiert sind, das Projektergebnis aber bestenfalls geschätzt werden kann? Das Zusammenführen von Methoden sollte immer objektiv durchgeführt werden, um nicht Reibungsverluste statt Synergieeffekten zu erzeugen.
Dies zeigt eine weitere Herausforderung: Das Projektmanagement steht bei der Verwendung mehrerer Frameworks in der methodischen Verantwortung. Es muss sicherstellen, dass über alle verwendeten Methoden hinweg Vollständigkeit im Projektmanagement erreicht wird. Das bedeutet, dass Disziplinen des Projektmanagements, wie Kommunikations- oder Risikomanagement bedient werden müssen. Hierbei ist es erforderlich, eine Systematik zu finden, die sinnvoll die Stärken der verwendeten Projektmanagementmethoden einbringt, keine Informationen verschwinden lässt und ein transparentes, effizientes Reporting ermöglicht. Der/die Projektmanager:in muss sich bestenfalls in allen verwendeten Frameworks zuhause fühlen und verwendete Prozesse, Tools und Methoden ständig hinterfragen können. Dies führt zu einer deutlichen Verbreiterung der Anforderungen an die Methodenkompetenz im Projektmanagement.
Auch Zeitlinien sind zu synchronisieren. So kann es vorkommen, dass ein zweiwöchentlich geforderter Statusbericht mit einem vierwöchigen Scrum-Sprintzyklus in Einklang gebracht werden muss. Es sind Methoden anzupassen und transparente Vorgehensentscheidungen zu treffen, die für das Management und auch für das Projektteam gewinnbringend sind. Im obigen Beispiel kann die Scrumban-Methode erfolgversprechend sein. So stellt ein Board die Visualisierung der aktuellen Aufgaben des Scrum-Sprintzyklus dar und zeigt ebenso den Aufgabenfluss während des gesamten Projektes.
Weitere Herausforderungen können die Mindsets der Mitarbeitenden, Templatevorgaben oder Akzeptanzdefizite sein. Diese fordern besonders die kommunikativen Fähigkeiten des/der Projektmanager:in. Wie ein solches Veränderungsmanagement am Beispiel eines M365-Projektes aussehen kann, beschreibt meine Kollegin Tina Quaas in ihrem Artikel Ganz konkret: Adoption und Change Management im M365-Projekt.
Verbindung von Methoden – Mapping von Projektmanagement-Artefakten
Eine Möglichkeit, die Modelle zu verbinden, stellt das Mapping von Artefakten des Projektmanagements dar. Es beschreibt die Gegenüberstellung von Erzeugnissen, die den Disziplinen des Projektmanagements zugeordnet werden und als Schnittstelle zwischen Methoden dienen können. Die nachfolgende Tabelle zeigt beispielhaft, wie dies für Risikomanagement und Projektplanung aussehen kann.
Die aufgeführten Werkzeuge sind keinesfalls als Äquivalent anzusehen. Es handelt sich um Quellen, in denen im gewählten Modell Informationen zur betreffenden Projektmanagementdisziplin zu finden sind. Auch sind die aufgeführten Artefakte nicht immer genau den Disziplinen zuzuordnen. So ist beispielsweise das Impediment Log per se kein Tool für das Risikomanagement, da Impediments eingetretene Risiken, also Probleme, beschreiben. Das Impediment Log kann jedoch grundsätzlich der Analyse von Projektrisiken dienen und abstrahiert grundsätzliche Risiken beschreiben. Ein solches Artefakt-Mapping kann helfen, Transparenz und damit Akzeptanz bei der Verwendung von hybriden Vorgehensmodellen zu erhöhen. Es ermöglicht zielgerichtete Diskussionen und erleichtert die Definition von Schnittstellen beim Übergang zwischen Projektmanagement-Methoden.
Fazit
Hybrides Projektmanagement kann in komplexen Projekten dabei helfen, die Wahrscheinlichkeit des Projekterfolges zu erhöhen und die Effizienz von Projektteams zu steigern. Zugleich stellt es jedoch hohe Anforderungen an die Methodenkompetenz aller Projektmitarbeitenden und speziell an das Projektmanagement. Auch soziale Kompetenzen wie Kommunikations- und Konfliktmanagement werden in besonderem Maße gefordert. Um eine Akzeptanz über Transparenz im Vorgehen zu erreichen, kann das Mapping von Projektmanagementartefakten dazu dienen, Schnittstellen genauer zu definieren und Reibungsverluste zwischen Methoden zu verringern.