Ablauf eines Cloud-Consultings

Im vorangegangenen Artikel wurde der Consulting-Ansatz bereits erläutert und erklärt, wie er sich von einem herkömmlichen IT-Consulting unterscheidet, das im Rahmen einer Technologieinstallation vorkommt. Als Einstieg hier nochmal eine kurze Zusammenfassung:

Als ganzheitliche Methode ist Cloud-Consulting nicht nur ein loser Satz von Technologien, sondern ein integrierter Ansatz. Folglich darf auch die Einführung nicht nur eindimensional verlaufen und nur die Auswahl der Komponenten betreffen. Die großen Hersteller sehen dies ähnlich und stellen daher eigene Programme bereit, die aber legitimerweise zum Ziel haben, das eigene Produkt anzubieten. Cloud-Consulting ist allerdings eine unabhängige Methode, die hersteller- und technologieneutral – vor allem aber übergreifend – die Einführung von Cloud-basierten Diensten organisiert. Es geht nicht um eine technische Aufrüstung, sondern darum, was Cloud bedeutet und was es kurz-, mittel- und langfristig bringt. Daher ist die Erweiterung von Netzwerk- und virtuellen Systemen sowie Storage-Ressourcen nicht das, worum es bei Cloud geht. Was es bedeutet, kann im Artikel zu Cloud-Consulting in der öffentlichen Verwaltung nachgelesen werden. (In erster Linie handelt es sich um eine Sammlung von Diensten, die automatisch umgesetzt werden, sobald sie angefordert werden.) Dieser Artikel behandelt nun den ersten Schritt eines Cloud-Consultings etwas detaillierter.

TL;DR

In dieser mehrteiligen Serie werden die einzelnen Teile des Cloud-Consultings erörtert und beschrieben: Die Beratung besteht im Kern aus einem dreiteiligen Vorgehen und den dazugehörigen Aktivitäten. Ziel ist es, die Cloud-Strategie zu bewerten (ggfs. zu ermitteln), in Einklang mit den Möglichkeiten der Organisation zu bringen und darauf basierend konkrete Handlungsanweisungen zu erzeugen, die den Liefergegenstand der Beratung ausmachen. Der unmittelbare Nutzen ist die Identifizierung von Folgeprojekten sowie deren genauere Vorbereitung. Auch wenn die Beratung während eines laufenden Projekts startet, hilft das Cloud-Consulting, Maßnahmen zur akuten Steuerung des Projekts zu erarbeiten und ggfs. eine Neuausrichtung zu unterstützen. Es handelt sich also um keinen reinen Green-Field-Ansatz.

Cloud im Öffentlichen Dienst

Der Öffentliche Dienst (ÖD) steht vor der Herausforderung, Cloud-Vorhaben in unterschiedlichen Variationen umsetzen zu müssen. In den nächsten Jahren wird sich dieser Druck verstärken, da die Anforderungen an den Öffentlichen Dienst vonseiten der Bürger:innen, der verschiedenen Vorgaben der Legislative aber auch kurzfristigen Situationen (wie bspw. Krisen), einen Innovationsschub erfordern. Die Einführung Cloud-basierter Verfahren zur Erbringung von Dienstleistungen ist ein Lösungsansatz mit dem größten Potenzial.

Im ÖD spielt die Struktur der IT-Organisation eine besondere Rolle. Sie kann nicht einfach verändert werden, denn dieser Änderung muss, zu einem großen Teil, eine Anpassung an die Ablaufstrukturen vorgeschaltet sein. Die Einführung von Cloud bedingt allerdings immer Prozessänderungen. Einer der Gründe hierfür liegt im Servicecharakter einer Cloud. Die Nutzerschaft bekommt die Services wann sie es will und in Quantitäten, die notwendig sind. Die Einführung von Cloud-Services muss daher präzise vorbereitet werden.

Ein Beispiel hierfür ist die Bereitstellung von Applikationen und Prozessen (Verfahren). Dies ist üblicherweise ein Prozess, an dem sich oft große Teile der IT-Organisation beteiligen müssen, obwohl das Ergebnis meistens gleichartig ist. Services, die den Großteil dieser Bedarfe abdecken, schaffen mehr Zeit und Raum, um individuelle Themen von Fachleuten bearbeiten zu lassen.

Die öffentliche Verwaltung ist darauf angewiesen, die zur Verfügung stehenden Mittel so einzusetzen, dass deren Kunden (andere Behörden oder Bürger:innen) nicht darauf warten müssen, dass das IT-Personal sich um vergleichsweise kleine Details kümmert. Ein gewisser Veränderungsdruck ist damit gegeben und somit die Chance für Services aus der Cloud.

Werkzeugkasten-Prinzip und Methodiken

Das Cloud-Consulting basiert auf einem Werkzeugkasten-Ansatz mit Frameworks und erprobten Vorgehensweisen. Anhand derer wird ermittelt, was die Business-Ziele oder Vorgaben sind (Top-down), was die IT zu leisten vermag (Bottom-up) und ob es eine Lücke dazwischen gibt, bzw. wie sie geschlossen werden kann (Alignment).

Die Beratung besteht aus den Phasen der Informationssammlung, der Analyse und der Entwicklung eines Maßnahmenpakets. Aktivitäten aus der Informationssammlungsphase können allerdings auch während der Analyse oder der Maßnahmenermittlung wiederholt werden, falls es aktualisierte Informationen gibt, die genutzt werden müssen.

Dazu kommen auch die sozialen Kompetenzen des Consultants sowie die Nutzung von Frameworks und Best-Practice-Vorgehensmodellen, die eine Wiederholbarkeit und Vergleichbarkeit für den Beratungsprozess bedeuten. Dadurch wird auch die Nachvollziehbarkeit für den Kunden sichergestellt. Im Cloud-Consulting werden vor allem folgende Frameworks angewandt, die in verschiedenen Situationen und unterschiedlichen Anteilen schon Anwendung gefunden haben:

Balanced Scorecard (BSC)

Das Vorgehen nach Balanced Scorecard ermöglicht einen ganzheitlichen Blick auf die Erstellung und Umsetzung von Strategien. Was sie so wertvoll macht, ist die holistische Betrachtung von Strategie und Umsetzung. Die allseits bekannten Kategorien (Finanzen, Kunden, Prozesse sowie Lernen und Entwicklung) ermöglichen es, die Auswirkungen der Umsetzung von Strategien nicht nur nach Kosten- und Leistungsgesichtspunkten zu beurteilen.

Hier werden die Zielbasierung und die Verzahnung der genannten Punkte sowie die Erstellung von Strategy-Maps genutzt. Eine Strategy Map dokumentiert die Wechselwirkungen der Ziele untereinander. Eine Cross-Impact-Analyse bewertet diese Ziele hinsichtlich ihrer gegenseitigen Bedeutung und ihres Einflusses auf das Gesamtvorhaben.

Cobit

Cobit ist eines der Standard-Frameworks, wenn es um die IT-Governance geht. Es ist dabei weder ein Technologie-Framework vorgegeben, noch macht es explizite Vorgaben, wie etwas umzusetzen ist. Es unterstützt dabei, neben der Zielfindung, auch die Umsetzung zu organisieren. Es geht darum, aus Zielen und Visionen Ableitungen zu entwickeln und diese zur Grundlage der Umsetzung zu machen. Diese Maßnahmen werden anschließend weiterhin laufend überprüft.

Insbesondere liefert Cobit einen Fragebogen-basierten Ansatz, um die ersten Informationen über die aktuelle Lage zu ermitteln und diese dann in Ziele der Gesamtorganisation zu überführen. Betrachtet werden Fähigkeiten, Prozesse, Strukturen und zu erreichende Reifegrade der Prozesse.

Prosci/ADKAR

Prosci und ADKAR sind Teile eines Change-Management-Frameworks. Mit diesem Industrie-Standard für Change-Management wird sowohl die organisatorische als auch die menschliche Ebene in einem Change-Prozess betrachtet. Damit legen die Frameworks einen Grundstein für die auch kulturell akzeptierte Änderung bei der Einführung von Cloud-Verfahren.

Die Prosci-Methodik basiert auf Forschungsergebnissen und eigenen, regelmäßig wiederholten Umfragen. Aus diesen wird ein Best-Practice Ansatz geschaffen, der auch in der Alltagspraxis nutzbar ist. Der kennzahlenbasierte Ansatz stellt dabei die Wiederholbarkeit und Vergleichbarkeit von Maßnahmen sicher.

Teil des Prosci-Modells ist ADKAR: Ein Satz von nacheinander zu erreichenden Zielen, welche die Akzeptanz von Changes befördern sollen. Diese Ziele sind Awareness (Bewusstsein), Desire (Wunsch) Knowledge (Wissen), Ability (Fähigkeit) und Reinforcement (Verstärkung). So ist u.a. auch abzulesen, in welcher dieser Ziele der Change fortgeschritten ist und wo noch Überzeugungsarbeit zu leisten ist.

Übergreifender Blick

Die genannten Frameworks sind jeweils zu groß, um sie hier vollständig zu beschreiben. Weitere Informationen hierzu finden sich am Ende des Artikels. Alle diese Frameworks haben jedoch einen übergreifenden Ansatz, der auf Basis der wirtschaftlichen Realitäten, die Menschen in – aber auch außerhalb der Organisation – mit einbezieht.

Damit wird sichergestellt, dass sämtliche Umsetzungen aus Strategien ableitbar sind und damit auch den Menschen in der Organisation vermittelbar gemacht werden können. Die mangelnde Vermittelbarkeit von Changes ist eines der größten Faktoren für Projekte, die aus dem Ruder laufen. Dies gilt auch für Cloud-Einführungsprojekte.

Im Cloud-Consulting soll ermittelt werden, was die Treiber für eine Cloud-Einführung sind, um das entsprechende Vorgehen so zu entwickeln, dass das Vorhaben nicht an grundlegenden und unbeachteten Themenstellungen scheitert. Was passiert allerdings, wenn schon viele Dinge umgesetzt sind und die Beratung zu einem beliebigen Zeitpunkt eines Projekts einsteigt? Aus der Praxis ist bekannt, dass viele IT- und mithin Cloud-Projekte schon fortgeschritten sind, bevor Hindernisse entstehen, die ein Weiter-so im Projekt nicht mehr ermöglichen. In diesen Fällen muss die Findung der Ziele und Ableitungen entweder nachgeholt, oder es müssen Annahmen getroffen werden. Sicherlich leidet die Qualität der Information darunter, denn je später man in die Beratung einsteigt, desto weniger Möglichkeiten zur Einflussnahme sind gegeben.

Durchführung der Beratung

Nachfolgend wird eine beispielhafte Informationsaufnahme grob wiedergegeben. Der Consultant entscheidet von Mal zu Mal, wie die Werkzeuge zu nutzen sind. Diese müssen jedes Mal individuell auf die jeweilige Beratungssituation angepasst werden. Die Nutzung derselben Werkzeuge stellt dabei die Vergleichbarkeit und Qualität der Verarbeitung der gefundenen Themen sicher.

Aufnahme von Informationen

In diesem Beratungsabschnitt steht die Informationsgewinnung im Vordergrund. Konkret sind folgende Fragestellungen wichtig:

– Welche langfristigen Ziele sollen erreicht werden?

– Wer sind die beteiligten Parteien in diesem Umfeld?

– Wer kann welche Information liefern?

– Welchen Stand haben die derzeitigen Aktivitäten in Bezug auf die langfristigen Ziele?

– Welche Projekte laufen derzeit zu diesem Thema?

– Welche Unterlagen können zur Verfügung gestellt werden?

Die wichtigste Information ist die zu Zweck und Ziel: Was soll mit der Cloud-Einführung erreicht werden bzw. welche Herausforderung ist der Treiber? Ist dieses Vorhaben eher disruptiv oder im Rahmen einer kontinuierlichen Veränderung in dem Bereich umzusetzen? Diese Fragen kann am besten das Management beantworten. In Bundesbehörden ist dies ab der Ebene der Referats- und Abteilungsebenen der Fall.

Im Gespräch werden dann die Hintergründe bzw. die Leitidee hinter der Cloud-Einführung herausgearbeitet. Ein initiales Interview mit dem Management auf Grundlage von Cobit 2019 und Prosci hilft bei der strukturierten Aufnahme der Informationen. Cobit 2019 enthält von vornherein Elemente von Balanced Scorecard, sodass dessen Prinzipien bei der Informationsgewinnung mit einfließen.

Auch im weiteren Verlauf der Beratung ist eine laufende Abstimmung mit dem Management wichtig, um den Kommunikations- und Informationsfluss aufrecht zu erhalten. Das Wissen und die Hintergründe gehen oft im Alltag verloren, sodass konkrete Aktivitäten während einer Cloud-Einführung oft von den initialen Zielen divergieren. Kommunikation ist also sowohl ein Erfolgsfaktor für die Beratung als auch, wenn die Ziele und Strategien später bei der Umsetzung vermittelt werden müssen. Gemeinsam werden maßgeblich interne und externe Gruppen identifiziert, die für die Aufgabenstellung relevant sind.

Methoden für die Informationsaufnahme in Gruppen

Bei Befragungen von Gruppen eignen sich Workshops, in denen nach einem strukturierten Prozess und mit Hilfe von Kreativitätstechniken, wie z.B. Metaplan, Brainstorming oder 6-5-3-Methode Informationen generiert werden. Allerdings passt nicht jede Methodik zu allen Gruppen. Der Consultant muss daher ein Gespür dafür haben, welche Methodik passend erscheint.

Die Strukturierung der gesammelten Daten orientiert sich grundsätzlich an der verwendeten Methodik. Bei der Metaplan-Technik werden die Daten gemeinsam kategorisiert. Ziel ist es, ein Muster oder Redundanzen zu entdecken. Diese Kategorien entsprechen im weiteren Verlauf den grundlegenden Themenfeldern. Später können diese dann mit den Themen verglichen werden, die mit Prosci, BSC und Cobit gefunden werden. Es ist zu vermeiden, die Werkzeuge einfach nur hintereinander zu nutzen. Der Consultant muss in jedem Schritt für sich entscheiden, welches der Werkzeuge passt, um auf der einen Seite den Aufwand nicht zu erhöhen, aber auch die Unterstützung des Auftraggebers nicht zu verlieren.

Mit einer Cross-Impact-Analyse werden die gefundenen Kategorien oder Themen schließlich gegeneinander abgewogen. Es wird in der Analysephase genutzt, um die Auswirkung von Zielen und Maßnahmen zueinander zu bewerten. Es eignet sich aber auch sehr gut dazu, als Teil eines Workshops genutzt zu werden, um durch die gemeinsame (Vor-)Analyse ein gemeinsames Verständnis des behandelten Themenkomplexes zu erreichen. Insbesondere die Visualisierung anhand von BSC-Strategy-Maps unterstützt diesen Prozess.

Methoden für die Informationsaufnahme durch Interviews

Einzelinterviews werden dagegen auf Grundlage von Fragebögen durchgeführt. Diese basieren auf den Cobit-Fragebögen und auch auf Fragen, die sich aus dem Erfahrungsschatz des Consultants ergeben. Wichtig ist hierbei die einheitliche Gestaltung der Fragebögen. Auch Interviews können in der Gruppe durchgeführt werden. Allerdings eignen sich dort andere Methoden, wie beispielsweise die Protokollierung der entstehenden Diskussionen. Einzelinterviews führen durch den persönlichen Kontext des Interviews zu besseren Ergebnissen.

Ob Interviews oder Workshops, es ist zu vermeiden, allzu detailreiche Fragen nach verwendeten Technologien zu stellen, um den gesamtheitlichen Blick nicht zu verlieren und das Interview in ein unstrukturiertes Gespräch zu verwandeln. Trotzdem ist aber darauf zu achten, welche Fragen bemerkenswerte (sehr kurze, detaillierte oder emotionale) Reaktionen hervorrufen. Diese können dann ggfs. im Gespräch weiter beleuchtet werden.

Aufbereitung der Ergebnisse

Am Ende dieses Abschnitts werden folgt die Aufbereitung der Ergebnisse: Fotoprotokolle, eines oder mehrere Dokumente, die die gefundenen Themen sowie deren Beziehung und Bedeutung untereinander zeigen und schon ersichtliche Schwerpunkte herausstellen. Eine ausführliche Version wird dem Auftraggeber zur Verfügung gestellt. Die Teilnehmenden bekommen eine zusammenfassende Version, die u.a. auch die gemeinsam erarbeiteten Themen enthält. Sinnvollerweise enthält diese Aufbereitung schon eine erste Einschätzung des Consultants.

Ziel

Ziel dieses Beratungsabschnitts ist es, alle Informationen zu sammeln, um eine Grundlage für eine Analyse zu haben. Quantität ist in diesem Fall vorteilhaft, um auch wichtige Themen zu erkennen. Sie ist aber nicht das einzige wichtige Merkmal. Bei der Aufnahme der Information geht es um das strukturierte und planvolle Erfassen der Informationen, damit diese einen Mehrwert bei der Analyse bieten. Sollten Daten während der folgenden Analyse fehlen, können diese sicherlich beschafft werden. Notfalls kann ein Teil der Aufnahme wieder durchgeführt werden, falls es notwendig erscheint.

Die nächsten Artikel werden, auf der Informationsaufnahme aufbauend, die nächsten Schritte des Cloud-Consultings näher betrachten. Dementsprechend fokussieren die nächsten Artikel die Analyse und die Erarbeitung von Maßnahmen.

Weitere Informationen zum Thema finden sich u.a. in folgenden Publikationen:

  • Höllwarth, Tobias: Cloud Migration. Heidelberg: MITP-Verlags GmbH & Co. KG, 2013. -ISBN 978-3-826-69458-5. S. 1-312
  • Jossé, Germann: Balanced Scorecard: Ziele und Strategien messbar umsetzen. München: C.H.Beck, 2018. -ISBN 978-3-406-72650-7., S. 1-230
  • Kaplan, Robert S. ; Norton, David P.: Alignment: Using the Balanced Scorecard to Create Corporate Synergies. Boston, Massachusetts: Harvard Business Press, 2006. -ISBN 978-1-591-39690-1. S. 1-302
  • https://www.prosci.com/
  • https://www.isaca.org/en/resources/cobit