Im Zuge dieser vierteiligen Reihe wird herausgestellt, wo Scrum und ITIL Gemeinsamkeiten haben, Ähnlichkeiten aufweisen, aber auch, wo sie divergieren. Strukturell orientieren sich die Artikel an den ITIL 4 Modulen [i].
Scrum ist ein iteratives und inkrementelles Rahmenwerk zur Produktentwicklung in einem komplexen Kontext. Die Bezeichnung Produkt kann hier für jedwede Ausprägung von Entwicklung stehen, von einer Software oder einem Service bis hin zu einem physischen Werkstück. Klar abzugrenzen ist das Scrum-Rahmenwerk hier von einem Projekt-Rahmenwerk. Es kann innerhalb eines Projektes Verwendung finden, aber ist bei voller Umsetzung nicht zum Projektmanagement geeignet. Aspekte wie die Beschaffung von Mitteln für ein Vorhaben, das eigentliche Projektmanagement und auch die Rolle des Projektleiters bzw. -managers können beispielhaft als nicht darin enthaltene Faktoren angeführt werden.
Dem gegenüber steht das ITIL 4 Rahmenwerk, welches einen holistischen Ansatz zum gesamten Bereich Service Management liefert und im „four dimensions of service management“-Modell dargestellt wird. Diese vier durch ITIL definierten Dimensionen „Informationen und Technologie“, „Organisationen und Menschen“, „Partner und Lieferanten“ und „Wertströme und Prozesse“ – stehen im Kontext von zahlreichen Umgebungs-Faktoren, die sie beeinflussen können.
Eine erste Abgrenzung:
In beiden Rahmenwerken wird von den sogenannten „Stakeholdern“ gesprochen. Es gibt hier Schnittmengen, aber nicht alles ist gleich zu setzen. ITIL nimmt den Begriff und fasst unter ihm sämtliche Interessengruppen bzw. Personen, die im Zuge einer Ende-zu-Ende Werterbringung beteiligt sind, zusammen. Die Abgrenzung zu Scrum ergibt sich aus den unterschiedlichen Betrachtungen. Denn im Zuge von Scrum kann man die Stakeholder als Personengruppe definieren, die das Recht hat Anforderungen an das zu entwickelnde Produkt zu stellen. Die Schnittmenge wiederum ist, dass in beiden Welten ein Stakeholder derjenige ist, der ein berechtigtes Interesse an dem Produkt hat.
Die Customer Journey und der Scrum-Prozess
ITIL hat die sogenannte „Customer Journey“ für sich in einer Form adaptiert, welche in einer sehr frühen Phase ansetzt. Diese Phase würde normalerweise separat als strategische Marktforschung betrachtet werden. Sie umfasst Tätigkeiten wie das Verstehen von Konsumenten und Anbietern, die allgemeine Marktanalyse und basierend darauf, das Abzielen auf bestimmte Märkte. Dieser Schritt wird unter ITIL als „Explore“ im Kontext der Customer Journey verstanden.
Abb. 1: Customer Journey nach ITIL4
Durch die obige Art der Darstellung könnte man auf die Idee kommen, dass es sich um ein klassisches, wasserfallartiges Konstrukt handelt, jedoch trügt dieser Eindruck. ITIL ist speziell hier sehr offen, die Customer Journey kann so verlaufen, aber es ist ebenso möglich und kommt in der Praxis auch nicht selten vor, dass ähnlich wie im Scrum-Prozess inkrementelle und iterative Entwicklungen Anwendung finden. Deshalb ist es hier auch möglich eine Customer Journey nach ITIL zu folgen und während der Entwicklung ohne Probleme das Scrum-Rahmenwerk zu nutzen.
Anforderungen
Anforderungen existieren in vielen Bereichen und in unterschiedlichsten Formen. So auch in ITIL und Scrum. Im Scrum-Kontext ist es die Aufgabe der Person in der Rolle des „Product Owners“, die Stakeholder abzuholen und aus ihren Ansprüchen ein „Productbacklog“ zu schaffen. Dieses wird in Zusammenarbeit mit den „Developers“ konkretisiert und nach deren Ermessen für den jeweiligen Sprint im „Sprint Planning“ eingeplant. Was bei Scrum auf diese Art und Weise stattfindet, wird bei ITIL innerhalb der Schritte „Offer“ und „Agree“ im Zuge der Customer Journey behandelt, aber in einem globaleren Kontext beschrieben. Daher liegt bei ITIL der Blickwinkel etwas anders und auch weiterreichende Punkte werden behandelt.
In beiden Varianten geht es auf unterschiedlichen Ebenen um Erfassung, Abstimmung, Konkretisierung und Optimierung von Risiken, Compliance sowie Ressourcenplanung. Somit steht man auf einer miteinander korrelierbaren Basis.
Valueable Increment und Focus on value
Eine der fundamentalsten Gemeinsamkeiten von ITIL und Scrum ist das Ziel eines jeden Sprints im Scrum-Kontext: Das Entwickeln eines Valueable Increments bzw. einer fertig auslieferbaren Produktversion gemäß der vorher im Sprint Planning definierten „Definition of Done“. Auf ITIL-Ebene findet sich dies als oberster Punkt in den „ITIL guiding principles“ der “Focus on value“. Frei ausgedrückt soll es so sein, dass jegliche Aktivität eines Unternehmens letztlich zum Mehrwert für die Stakeholder führen soll. Diese beiden markanten Merkmale machen die beiden Rahmenwerke kompatibel. Die Summe aller Tätigkeiten, Prinzipien, Prozesse, Modelle und Rollen besteht, um den Konsumenten auf direkte oder indirekte Weise einen Mehrwert zu liefern.
Ausblick
Im nächsten Artikel der Serie wird das Zusammenspiel von Scrum und ITIL im Kontext des Moduls „Create Deliver and Support” betrachtet.
Quellen:
- Scrum Guide
- ITIL4 Framework