Der klassische Ansatz der Prozessoptimierung beginnt damit, sich die Prozesse bewusst zu machen. Danach werden die Unternehmensprozesse aufgeschrieben, Prozesslandkarten erstellt und Bewertungen durchgeführt – mit Hilfe von Beratern oder aus eigener Kraft. Aus diesen werden wiederum Potenziale abgeleitet und im Anschluss Maßnahmen ergriffen. Mitunter entstehen Berge von Papier oder deren Pendant in Form von PowerPoint-Präsentationen und Word-Dateien.
Der traditionelle Ansatz gehört nach wie vor zu den wichtigsten Möglichkeiten, sich dem Thema “Prozesse” zu widmen. Dennoch bringt dieser Weg Probleme mit sich – vor allem in Bezug auf seine Beständigkeit. So sind Dokumentationen beispielsweise zum Zeitpunkt ihrer Erhebung bereits wieder veraltet. Sie sind zudem unvollständig und repräsentieren oft nur einen Teil der gelebten Praxis. Die folgenden Techniken können daher genutzt werden, um weitere Möglichkeiten der Erhebung, Analyse und Verbesserung von Geschäftsabläufen zu eröffnen.
Process Mining
Process Mining hat sich in Ergänzung zur klassischen Prozessberatung einen hervorragenden Namen gemacht. Die meisten Geschäftsprozesse werden mit Hilfe von IT-Systemen umgesetzt, die dabei eine Vielzahl an Daten, z.B. in Form von Ereignisprotokollen, hervorbringen. Process Mining nutzt diese Daten um Prozessabläufe aufzudecken und ermöglicht damit einen ganz anderen Blick auf die tatsächlich gelebten Geschäftsprozesse.
Wie funktioniert das?
Möchte man beispielweise den Einkaufsprozess optimieren, dann ist der zu kaufende Artikel Mittelpunkt der Untersuchung. Stark vereinfacht muss für jeden Artikel eine Bestellanforderung geschrieben werden. Daraufhin wird dieser bestellt, geliefert und irgendwann bezahlt. Jede dieser Aktivitäten wird in einem ERP-System umgesetzt. Betrachtet man die technischen Systemaktivitäten um den Artikel herum, so finden sich sowohl die oben genannten Aktivitäten als noch viele weitere kleine Fußabdrücke, die im Zusammenhang mit der Beschaffung stehen. Zusammen mit dem jeweiligen Zeitstempel ergibt sich eine Historie, die heruntergebrochen den einzigartigen Prozessablauf für einen bestimmten Artikel oder aber aggregiert das Gesamtbild der Beschaffung darstellt – tagesaktuell!
Die Werkzeuge, mit denen Process Mining betrieben wird (z.B. Celonis oder UiPath), visualisieren die Daten bspw. in Form von Ablaufdiagrammen und machen sie dadurch für den Endanwender greifbar. Über einfache Regler lassen sich Abweichungen im Prozessablauf anzeigen. Zudem helfen frei definierbare Kennzahlen bei der Bewertung. Was bleibt ist die Frage, wie man die aufgedeckten Potenziale in konkrete Maßnahmen umsetzen kann. Hier hilft Robotic Process Automation.
Abb. 1: Beispiel einer Prozessvisualisierung mit Celonis
Robotic Process Automation (RPA)
Immer dann, wenn Prozessoptimierungen über rein organisatorische Maßnahmen hinausgehen, kann RPA unterstützen. Gemeint sind spezielle Werkzeuge, mit deren Hilfe Geschäftsprozesse automatisiert werden können. Dazu werden für die erhobenen Prozesse Software-Roboter gebaut, die dann z. B. alltägliche Routineaufgaben übernehmen oder Medienbrüche überwinden. Zu den bekanntesten Werkzeugen zählen UiPath, Automation Anywhere oder Microsofts Power Automate. Über besonders ansprechende Oberflächen und einfache Drag’n’Drop-Designer versuchen die Hersteller 1 die Geschäftsanwender zu befähigen, ihre eigenen Arbeiten zu automatisieren und so Freiräume für kreative Arbeiten zu gewinnen. Manuelle, sich ständig wiederholende Arbeitsabläufe durch einen Software-Roboter zu ersetzen, ist eine ausgezeichnete Möglichkeit, Prozesse zu optimieren. Roboter arbeiten fehlerfrei, jeden Tag, das ganze Jahr. Chancen, die durch Process Mining aufgedeckt werden, können somit durch RPA optimiert werden. Tiefergehende Informationen zum Thema RPA finden sich in den Blogbeiträgen zu den Themen Nutzen von RPA sowie RPA und Arbeitsplatzsicherheit.
Abb. 2: Eine grafische Entwicklungsumgebung (hier: UiPath) hilft beim Entwurf von Automatisierungen
Task Mining
Ähnlich wie im Process Mining geht es im Task Mining um die Auswertung und Darstellung von Prozessabläufen. Allerdings werden nicht Massendaten aus Datenbanken betrachtet, sondern der konkrete Umgang von Beschäftigten mit ihren Systemen. Dazu werden festgelegte User über einen definierten Zeitraum gebeten, ihre Geschäftsprozesse durchzuführen. Jede Aktivität und jeder Tastenanschlag werden aufgezeichnet. Oder anders gesagt: Mit Task Mining wird aufgezeichnet, was ein Enduser wie, mit welchen Werkzeugen, auf welche Weise und in welcher Reihenfolge umsetzt, um spezifische Aufgaben zu erfüllen.
Analog zum Process Mining werden die Daten über Ablaufdiagramme visualisiert. Über Regler kann der Prozess aufgefächert werden. Zusätzlich helfen Screenshots beim Nachvollziehen der Einzelschritte. Anders als beim Process Mining können hier jedoch kaum End-to-End-Prozesse betrachtet werden. Allerdings sind die Daten so genau, dass daraus Vorlagen für Prozessdokumente und sogar Baupläne für RPA-Bots entstehen können. Task Mining ist damit eine ausgezeichnete Ergänzung, um z. B. Härtefälle zu verstehen und kann folglich als Bindeglied zwischen RPA und Process Mining angesehen werden.
Abb. 3: Task Mining mit UiPath
Ausblick
Der optimale Einstieg in die Prozesswelt ist das klassische Prozessmanagement. Hierbei werden Prozessdaten gesammelt und verstanden, Vorschläge gemacht und Entscheidende unterstützt. Für ständig aktuelle und tiefe Einblicke in End-To-End-Prozesse sorgt Process Mining. Die aufgespürten Potenziale können dann zum Beispiel mit RPA automatisiert werden. Die Erfolge spiegeln sich direkt in den Kennzahlen von Process Mining wider. Autark oder in Kombination liefert Task Mining Einblicke, wie Enduser mit ihren Systemen arbeiten und stellt mit seinen Aufzeichnungen fertige Bot-Vorlagen bereit. Auch maschinelles Lernen unterstützt die vorgestellten Technologien, indem beispielsweise Geschäftsprozesse automatisch erkannt oder zuverlässige Entscheidungsgrundlagen erzeugt und durch RPA ausgeführt werden. Das Thema KI oder maschinelles Lernen wird in anderen Beiträgen beleuchtet und geht an dieser Stelle zu weit. Man kann sich aber auf neue Beiträge freuen, wie zum Beispiel zum Thema kognitives RPA, welches sich dem gezielten Einsatz von KI und RPA widmet.
[1] Mit ”Hersteller” sind in diesem Beitrag keine privaten Personen, sondern rechtliche Personen bzw. Unternehmen gemeint. Gleiches gilt für “Kunden” o. ä.